Statement der Vorsitzenden Carmen Kurz-Ketterer zum Thema „Qualitätsprüfungen in ambulanten Pflegediensten“

 

Seit nunmehr über einem Jahr wird auch die Durchführung von Qualitätsprüfungen vom Thema Covid-19 überschattet.

Nun will also der MDK wieder regelmäßig in die Pflegedienste kommen, um dort vor Ort zu prüfen, was in der derzeitigen Pandemielage für zusätzlichen bürokratischen Aufwand im Pflegedienst sorgen wird. Der MDK will die Pflegedienste trotz erhöhter Ansteckungsgefahr wieder regelhaft prüfen, weil man den ambulanten Pflegediensten nicht vertraut. Möglicherweise gibt es einige schwarze Schafe dabei zu entdecken - so wie überall - und dies wird dann wieder zum Anlass genommen, eine ganze Berufsgruppe unter Generalverdacht zu stellen. Dabei wäre, statt des üblichen Misstrauens, jetzt Vertrauen und Unterstützung in eine Berufsgruppe angebracht, die wie kaum eine andere unter der Pandemie zu leiden hat, denn Pflegekräfte können nun einmal kein Homeoffice machen und sich von anderen fernhalten.

Viel wichtiger wäre es, wenn der MDK die Pflegedienste in dieser schwierigen Zeit stärker durch Beratung und Schulungen unterstützen würde. Zum Beispiel bei den häuslichen Problemen, wie z.B. zu wenig Platz in der Wohnung sowie Einsatz und neutrale Beratung, z.B. bei Hilfsmitteln wie Liftern in der Häuslichkeit.

Die MDK-Prüfung kostet, je nach Größe des Pflegedienstes Dienstes, 2-5 Tage der kostbaren Zeit, die dringend für die Pflege gebraucht wird. Die neu eingeführten Abrechnungsprüfungen erhöhen den bürokratischen Aufwand nochmals immens, wobei der MDK nicht selten für sich in Anspruch nimmt, auch hier einseitig vorzugeben, was sich der Patient an Leistungen gewünscht hat und wir berechnet haben.

Wir Pflegekräfte wünschen uns allerdings, dass man bei uns durch den MDK nicht nur die möglichen Fehler sucht, sondern auch das, was an guter Pflege jeden Tag von den Pflegekräften im Land geleistet wird. Wer gute Pflege sucht, wird zufriedene Patienten finden. Patienten, die dankbar sind, weil die Pflegekraft nicht nur auf die Dokumentation achtet, sondern auch den Menschen sieht oder - um es mit den Worten von Frau Professor Angelika Zegelin zu sagen -, wenn eine gute Pflegekraft das Zimmer verlässt, dreht sie sich noch einmal innerhalb der letzten 5 Sekunden an der Tür um und scannt das Zimmer. Und sie weiß, der Patient ist gut versorgt. Andere Personen gehen hinaus und haben nur den einen Auftrag erledigt. Dies entscheidet über die Qualität der Pflege.

Wir, meine Mitarbeiter und ich, aber auch alle anderen Pflegedienste im Land, haben in den letzten Monaten viele Probleme ohne Hilfe von außen zeitnah gelöst. So gab es anfangs keine Masken, wir haben selbstgenähte Masken organisiert, die damals auch wunderbar ausreichten. Es gab auch keine Desinfektionsmittel auf dem freien Markt. Wir haben uns Desinfektionsmittel über Apotheken oder aus dem Baumarkt in Kanistern besorgt und genutzt.
Die ambulante Pflege war und ist häufig der Prellbock für alle Seiten. Wir müssen Pflegebedürftige zu Hause versorgen, die keinen Heimplatz bekommen haben. Wir müssen die vielen akuten Kranken, die frühzeitig aus den Krankenhäusern entlassen werden, versorgen. Wir tun alles Mögliche, um unsere Patienten weiter zu versorgen, egal ob der Corona-Test positiv oder negativ ausgefallen ist.

Wir verbringen Stunden damit, Patienten und deren Angehörigen aufzuklären, helfen, die Versorgung oder Impftermine für Patienten und deren pflegende Angehörige zu organisieren, obwohl dies nicht zu unseren Kernaufgaben gehört. Ängste haben dabei nicht nur die Patienten und deren Angehörige, nein auch wir Pflegekräfte, die an vorderster Front stehen, um die Versorgung der Patienten unter widrigsten Bedingungen zu gewährleisten. Es sind genau diese Pflegekräfte, die leider immer wieder vergessen werden, wenn es um Lieferungen von Materialien oder um die vorherige Einbeziehung in Entscheidungen der Politik geht, wie z.B. die Umsetzung von Testungen oder Impfungen, die dann von der Pflege ohne Vorlaufzeit umgesetzt werden soll. Wenn es dann aber darum geht, z.B. selbst geimpft zu werden, können sich die ambulanten Pflegekräfte den Termin mühselig mit großem zeitlichem Aufwand selbst besorgen.

Es war und ist eine schwierige Zeit, in der man oft dankbar gewesen wäre, wenn eine Beratung oder Unterstützung da gewesen wäre. Stattdessen wurde alles auf die Pflegekräfte abgewälzt. Standards und Vorschriften, wie man was zu machen hat, kamen immer Wochen später und mit extrem kurzer Vorlaufzeit für die Dienste, um diese umzusetzen. Aber wir haben an vorderster Front weiterhin sehr gute Arbeit geleistet.

Wir werden auch weiterhin als Pflegedienst Corona-Tests bei unseren Mitarbeitern und Patienten machen, für deren Durchführung wir als Pflegefachkräfte geschult sein müssen und für die wir ein Testkonzept erarbeiten mussten. Wir haben geschult und getestet. Mittlerweile kann jetzt jeder Ehrenamtliche testen, die Profession spielt dabei erstaunlicherweise auf einmal keine Rolle mehr.

Die physische wie psychische Belastung der einzelnen Pflegekräfte ist mittlerweile immens gestiegen. Nicht, weil sie mehr arbeiten, sondern weil sie unter extrem schwierigeren Bedingungen arbeiten müssen. Die Pflegekraft duscht, wäscht Haare, rasiert und putzt Zähne mit FFP2-Maske und Handschuhen, teilweise mit zusätzlichen Kitteln, in heißen Bädern mit zusätzlichem Heizstrahler, weil der Kunde friert. Abstand halten ist da so gut wie unmöglich, so dass man dabei stets auch noch von der Angst, sich selbst anzustecken, begleitet wird oder noch schlimmer, seine Familienangehörigen zu Hause anzustecken.

Vieles wurde von den Pflegkräften trotz aller Widrigkeiten gemeistert. Lösungen wurden gefunden. Viele Pflegekräfte haben durchgehalten, leider aber nicht alle. Bereits jetzt überlegen viele mittlerweile ausgebrannte Pflegekräfte, dem Pflegeberuf den Rücken zu kehren, was für die Pflege eine Katastrophe wäre. Hier sollte sich die Politik aktiv kümmern, dass nicht noch mehr Aufgaben an die Pflegekräfte delegiert werden, sondern dass diese stärkere Unterstützung im Arbeitsalltag erhalten, zum Beispiel auch durch MDK-Mitarbeiter.
Sowohl in der Politik als auch in der Pflege reden wir alle davon, dass Pflegefachkräfte bessere Arbeitsbedingungen sowie eine Aufwertung ihres Berufes benötigen, ebenso natürlich wie eine angemessene Bezahlung, dies muss in der Praxis dann aber auch umgesetzt werden. Was letztlich auch dazu führen muss, dass die immer wieder von Seiten der Politik und der Kostenträger eingeforderte Qualität der Pflege sowie eine angemessene Entlohnung der Pflegekräfte auch durch das System ausreichend finanziert wird, was einen angemessenen Unternehmerlohn mit einschließt, wovon wir derzeit allerdings noch weit entfernt sind.

Carmen Kurz-Ketterer
Krankenschwester und Inhaberin eines Pflegedienstes seit 27 Jahren
Vorsitzende des ABVP
Vorstand in Baden-Württemberg