Offener Brief des niedersächsischen Landesvorstandes des ABVP e.V. an das niedersächsische Sozialministerium

Impfstrategie in der ambulanten Pflege

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

als niedersächsischer Landesvorstand des ABVP werden mir in den letzten Tagen vermehrt Sorgen von Pflegedienstleitungen und Pflegekräften bezüglich der Impfung, besonders aber auch der Zweitimpfung mit dem Impfstoff von AstraZeneca angetragen. Aus meiner Sicht ist hier ein Strategiewechsel notwendig hinsichtlich einer Öffnung des Impfangebots, auch mit den anderen aktuell zur Verfügung stehenden Impfstoffen.

Ich spreche hier vor allem die Sicht der ambulanten Pflege an, da die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Heimen zum überwiegenden Teil vorab mit den verfügbaren mRNA-Impfstoffen geimpft wurden. Die ambulante Pflege wurde zunächst zurückgestellt und dann ab Verfügbarkeit des AstraZenecaimpfstoffs ebenfalls in das Impfprogramm mit aufgenommen. Schon damals war es teils nicht ganz leicht den Pflegenden begreiflich zu machen, dass zwischen ambulanter und stationärer Pflege deutlich ein Unterschied gemacht wurde und in der ambulanten Pflege zwar ein hoch wirksamer, jedoch insgesamt weniger effektiver Impfstoff verabreicht wurde. Dieses wurde angesichts mangelnder Alternativen von den Pflegekräften hingenommen. Schließlich ist das Bedürfnis nach einer Impfung in diesem Bereich insgesamt sehr hoch. Der erste Stopp der Impfkampagne hatte bereits deutlich zu Ängsten und Irritationen geführt. Die erneuten Signale der letzten Tage aus der Politik, den Impfstoff zu stoppen, führt momentan zu weiteren Ängsten und auch zu einer sinkenden Bereitschaft, sich überhaupt impfen bzw. sich eine zweite Impfdosis verabreichen zu lassen, sollte das Impfangebot weiterhin nur für AstraZeneca aufrecht erhalten bleiben.

Man muss festhalten, dass in der gesamten Pflege ein Jahr voller Ängste hinter uns liegt. Jeden Tag gehen die Pflegekräfte los und riskieren, sich im Einsatz zu erkranken. Die Pflege hat ertragen, dass es über lange Zeit zu wenig persönliche Schutzausrüstung gab und erträgt weiterhin täglich Schnelltests und dauerndes Tragen von FFP-2 Masken sowie weiterhin die Angst, krank zu werden, da wir ein Vierteljahr nach Beginn der Impfkampagne immer noch nicht vollständig geimpft sind. Die Pflege erträgt jedoch nicht, als erste Gruppe von Menschen in Deutschland, die mit dem Impfstoff von AstraZeneca geimpft wurde, die Versuchskaninchen der Nation zu sein. So wird es von den Betroffenen nämlich wahrgenommen. Dieses ist zu viel!

Ich betreibe selbst einen Pflegedienst. Aus dem örtlichen Impfzentrum ist mir heute mitgeteilt worden, dass weiterhin seitens des Ministeriums der Impfstoff von AstraZeneca für die Zweitimpfung vorgesehen ist. Es sei nach aktuellem Stand lediglich geplant, dass eine zusätzliche Aufklärung erfolgen solle, dass es ein erhöhtes Risiko für die Impfung von AstraZeneca gäbe und dass dann jeder für sich entscheiden solle, ob er sich impfen lassen möchte oder nicht.

Aus Sicht eines Pflegedienstbetreibers und als Niedersächsischer Landesvorstand des ABVP e.V. gefährdet ein solches Vorgehen - sollte dieses als Ergebnis der momentanen Unsicherheitssituation bleiben - die pflegerische Versorgung in Niedersachsen. Die Pflegekräfte waren bereit, ein hohes Risiko für die Allgemeinheit einzugehen, indem sie sich bereit erklärten, trotz Ansteckungsgefahr jeden Tag ihrer Arbeit weiterhin nachzukommen und damit einen wichtigen Beitrag in der Pandemie zu leisten. Sie verdienen es jetzt endlich auch, den besten Impfschutz zu erhalten, der möglich ist, und nicht nur einen Impfschutz, der zwar sehr wirksam, aber möglicherweise lebensbedrohend sein kann. Die Gesellschaft ist zu sehr auf die Unterstützung dieser Berufsgruppe angewiesen, als dass sie es sich leisten kann, diese Berufsgruppe erneut in die zweite Reihe zu stellen.

Ich fordere Sie daher auf, das Impfangebot für Pflegekräfte in der ambulanten Pflege (nur für die spreche ich hier, sehe es aber grundsätzlich genauso für alle anderen Pflegekräfte) auch für die anderen zur Verfügung stehenden Impfstoffe zu öffnen und dieser Berufsgruppe die Wahl zu lassen. Das ist aus meiner Sicht die einzige Möglichkeit, das beschädigte Vertrauen noch zu kitten. Sie riskieren ansonsten, dass sich ein großer Teil der Pflegekräfte gegen eine Impfung entscheidet, was nicht im Interesse der Allgemeinheit stehen dürfte, da sich die Bekämpfung der Pandemie damit weiter verzögern würde.

Mit freundlichen Grüßen

Malte Stern
Landesvorstand ABVP e.V., Niedersachsen

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